Małopolska. Hier begann die Unabhängigkeit

Ein Porträt von Józef Piłsudski
Es war Kraków, der heutige Stadtteil Oleandry, von dem aus die Kaderkampagne am 06. August 1914 unter der Führung von Józef Piłsudski losmarschiert ist, um einen nationalen Aufstand in dem unter der russischen Herrschaft stehenden Teil des geteilten Polens aufzurufen, der nach 123 Jahren der Teilung dem polnischen Volk endlich die Freiheit bringen sollte. Besuchen wir die Orte, an denen die Polen um ihre Freiheit gekämpft haben.

Es ist eine Übertreibung, wenn man sagt, dass die polnische Unabhängigkeit in Małopolska geboren wurde. Dennoch liegt man von der Wahrheit nicht allzu weit entfernt. Hier nämlich, in Städten wie Kraków, Tarnów oder Zakopane, sind die österreichischen Soldaten als die ersten auf den geteilten polnichen Gebieten entwaffnet und die ersten nationalen Ämter und Institutionen ins Leben gerufen worden. Hier waren die ersten Stäbe der PPS-Kampftruppen und die lokalen Schützenvereinen aktiv am Werk, die im Rahmen ihrer Übungen die zukünftigen Soldaten quasi legal ausgebildet haben; eben hier fanden die großen Diskussionen von Patrioten, die vom einem endlich freien Polen geträumt haben, statt; hier entstanden die ersten Gruppen, die als Konspirationsparlamente fungierten, hier ist das Geld für die Finanzierung der Militärausgaben gesammelt worden, und von hier eben, aus dem Krakauer Stadtteil Oleandry, ist im August 1914 Józef Piłsudski als der Anführer der 1. Legionenbrigade losmarschiert, um in Michałowice die damalige Grenze mit Russland durchzuqueren, um sein großes Abenteuer zu beginnen. Hier fanden die wichtigsten Schlachten der ersten Kriegsjahre statt, an der die polnischen Legionen beteiligt waren: bei Krzywopłoty, deren Gefallene am Friedhof in Bydlin, in Marcinkowice oder in Łowczówek bestattet sind.

Małopolska und Kraków sind mehr als nur wichtige Eckpunkte auf dem Weg zur Unabhängigkeit des polnischen Staates. Die ersten Schlachten und Kämpfe der polnischen Legionäre fanden nämlich hier in Małopolska statt. Wir laden Sie zu einer großen Reise auf dem Weg der Unabhängigkeit ein. Dabei helfen sicherlich der Reiseführer „Ostfrontroute des 1. Weltkriegs“ und die spezielle Karte.

Schule der Unabhängigkeit

Juli 1913, in Stróża. Ein kleines Dorf in Beskid Wyspowy, unweit von Dobra. In dem hiesigen Gutshaus und der benachbarten Scheune halten sich mehrere Dutzend Männer auf. Sie sind hierher aus allen unter der fremden Herrschaft stehenden polnischen Gebieten, die von den Teilungsmächten zerrissen wurden, zusmamengekommen. Sie sind auch aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz angereist.

Hier begann der erste Offizierslehrgang für die zukünftigen Truppen, die für ein freies Polen kämpfen sollte. Hier erwarben die zahlreichen Mitglieder der polnischen Legionen, zwei spätere Marschälle, zwei Waffengeneräle, 12 Generalmajore, 14 Brigadegeneräle und sechs Leutnants der Zweiten Polnischen Republik ihre Ausbildung zum Offizier. Der Kader für die Unabhängigkeit. Unter ihnen waren Wojewoden, Minister und Premierminister der späteren Republik. Zu ihnen gehörte auch Józef Piłsudski. Jeder von ihnen erhielt ein von Kazimierz Przerwa-Tetmajer entworfenes Abzeichen aus Zinn mit Abbildung eines Regenschirms, das sie wie das höchste Auszeichnung getragen haben.

In der Zweiten Polnischen Republik hat man den Ort nicht vergessen. In dem Gutshaus, wo 1933 die Ausbildungsstätte entstanden war, wurde eine Gedenktafel aufgehängt. Hier haben sich die Legionäre getroffen. Unter der kommunistischen Herrschaft geriet dieser Ort vollkommen in Vergessenheit. Die Tafel musste abgerissen, zerschlagen und in den benachbarten Fluss weggeworfen werden. Die Scherben sind aber sorgfältig aufgesammelt und aufbewahrt worden, im Jahr 1980 gelangten sie in die Sammlungen des Krakauer Józef-Piłsudski-Vereins. 1989 kam die Gedenktafel an ihren ursprünglichen Platz zurück. Im Dezember 2017 hat Präsident Andrzej Duda vor der Schule in Stróża ein außergewöhnliches Denkmal enthüllt. Es ist ein großes, im dicken Glas versenktes Foto. Auf dem Foto sind 30 junge Männer zu sehen, Mitglieder der Offizierschule. Sie stehen in einer Doppelreihe im Garten des Gutshauses und schauen in die Kamera. Schon ein Jahr später sollten sie an die Front des 1. Weltkriegs hingeschickt werden, in den unter der Teilung stehenden polnischen Gebieten werden sie die polnischen Hoffnungen auf die Unabhängigkeit wecken. Das Denkmal steht an derselben Stelle, wo die jungen Männer vor 105 Jahren gestanden sind... Einen Monat lang haben sie hier geübt, gelernt, die benachbarten Hügel bestiegen, Angriffs- und Verteidigungstechniken gelernt. Es ist ein außergewöhnlicher Ort. Den man unbedingt besuchen muss. Das Gutshaus, in dem sie einquartiert waren, steht bis heute da.

Während ihres Aufenthalts in Stróża haben Józef Piłsudski und Kazimierz Sosnkowski in einem einfachen Bauernhaus am Gutshaus gewohnt, demselben, in dem auch die Schützen untergebracht waren. Das Haus ist bis heute erhalten geblieben. Interessantersweise sollten die Schützer - schon als Legionen - hierher zurückkommen und bei dem Berg Mogielica (der höchste Berg von Beskid Wyspowy) gegen die Russen kämpfen.

Nicht viele wissen aber, dass Kraków der Ort war, an dem das zukünftige Oberhaupt des Staates vor dem Jahr 1914 am häufigsten gewohnt hat.

Piłsudski in Kraków

Der 1867 geborene Piłsudski hat nach 5 Jahren sibirischer Gefangenschaft zuerst in Vilnius und dann in Warschau gewohnt, wo er seine Konspirationstätigkeit aufgenommen und geführt hat. Sein Aufenthalt auf den unter der russischen Herrschaft liegenden polnischen Gebieten wurde ihm zu gefährlich und der Genosse Wiktor (Piłsudskis Deckname) kam immer wieder nach Kraków, das sich zusammen mit Zakopane zum Kerngebiet seiner operativen Tätigkeit entwickelt hat. Die polnischen Gebiete unter der österreichischen Herrschaft waren politisch ganz anders geprägt. Sie wurden zwar von den Agenten der politischen Zaren-Polizei aufgesucht, doch diese hat mit der österreichischen Polizei nicht kooperiert. Die Polen haben damals unter der österreichischen Herrschaft beinah uneingeschränkte Freiheit genossen, die polnischen Nationalsymbole waren nicht verboten, genauso die polnische Sprache nicht verdrängt. In den Schulen hat man auf Polnisch gelernt und die Polen haben die höchsten Ämter innegehabt. Zum Beginn des 2. Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts haben die Österreicher sogar erlaubt, polnische paramilitäre Truppen zu bilden, in der Hoffnung, dass diese im Fall eines Kriegs gegen die Russen kämpfen werden. Piłsudski hat schon einen Aufstand im russischen Teil Polens geplant und darüber nachgedacht, die polnische Unabhängigkeit unter der Führung von Österreich-Ungarn wiederzuerlangen.

Hier in Kraków entstand 1905 der Militärzweig der PPS (Polnische Sozialistische Partei), deren Anführer Piłsudski war. Nach den heutigen Kriterien würden wir die Organisation als terroristisch einstufen, weil sie die zaristischen Beamten überfiel und ausraubte, um ans Geld für zukünftige Konspirationsmaßnahmen und die Tätigkeit zu kommen. Die Schulungen von OB PPS fanden in den Häusern in der Straße ul. Karmelicka (Pension „Ukraina“), ul. Ariańska 6 und ul. Lubicz statt. Unter der letztgenannten Adresse befand sich die Wohnung eines bekannten Krakauer Wissenschaftlers - Prof. Odo Bujwid. Übungen im Gelände faden u.a. in Tyniec statt. 

Kraków war auch der einer von den wichtigsten logistischen Standorten der Revolutionsfraktion von PPS, des Aktiven Kampfvereins und des Schützenvereins, die die Kampfpläne für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit konkretisieren und ausführen sollten.

Piłsudski hat u.a. in einem Haus in ul. Podzamcze, dann Topolowa 14, 16, 18 und 24, ul. Szlak unter der Nummern 25 und 31 gewohnt.

Kraków war auch ein Sammlungsort für die Truppen der Schützenvereine und der Polnischen Schützenmannschaften, die die 1. Kaderkampagne gebildet haben, die anschließend zur 1. Brigade der Polnischen Legionen umbenannt wurde. Aus dem damaligen Stadtteil Oleandry (an der heutigen Straße Oleandry), vom Gelände des ehemaligen Sommertheaters, sind die Legionäre am 06. August 1914 in die Richtung der russischen Grenze ausgebrochen. Sie haben die Grenze im Ort Michałowice überquert, woran heute an dieser Stelle ein Denkmal erinnert.

Die Unabhängigkeit begann in Małopolska

Zurück zur Person von Piłsudski: Er blieb für immer mit Kraków verbunden. Nach seinem Tod 1935 ist sein Leichnam mit der Eisenbahn aus Warszawa nach Kraków mit allen Ehren überbracht worden. Hier in einem prachtvollen Trauerzug auf einer Kanonenlafette im Sarg liegend, wurde sein Leichnam zum Wawelschloss hinauf gebracht, wo es zuerst in der St.-Leonard-Krypta, und anschließend in einer Krypta unter dem Silberglockenturm beigesetzt wurde. Hier ruht er bis heute.

Józef Piłsudski, oft liebevoll als „Großvater“ bezeichnet, hat trotz seiner teilweise autoritären Handlungen, wie z.B. der Staatsstreich von 1926, einen großen öffentlichen Respekt beim Volk genossen. Einen Beweis dafür liefert u.a. ein in den Jahren 1934-1937 auf seinen Namen getaufter und durch hunderttausende Freiwillige (von Kindern bis zu Veteranen des Januaraufstands) aufgeschütteter Erdhügel. Józef-Piłsudski-Erdhügel ist heute ein beliebter Ort für Spaziergänge der Krakauer.

1918 hat man in den Städten Małopolskas zuerst die österreichischen Garnisonen entwaffnet und die Herrschaft in die polnischen Hände übernommen. In den Städten Tarnów und Zakopane geschah es praktisch gleichzeitig, am 31. Oktober. In Zakopane ist die Leitung der Zakopane-Republik vom Schriftsteller Stefan Żeromski und die Führung von polnischen Truppen durch den Gründer der TOPR-Bergrettungsdienste - Mariusz Zaruski übernommen worden. Am 28. Oktober wurde in Kraków die Polnische Liquidationskommission gegründet, die die Macht im österreichischen Teil Polens übernehmen sollte. Am 30. und 31. Oktober hat Antoni Stawarz an der Spitze der polnischen Truppen die Verteidigungsstellen der Besatzer entwaffnet und die Stadt befreit. „Polen steht wieder auf“ – so hat er am letzten Tag dieses Oktobers auf dem Krakauer Hauptmarktplatz verkündet.

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